Have a good time ist die Geschichte von Hannah Lieder. Sie ist 36 Jahre alt, nicht verheiratet und sie hat keine Kinder. Im Moment ist sie ohne Beschäftigung, deshalb kann man sie auf dem Arbeitsamt treffen, und immer auch in Gedanken. Am Morgen begegnet man ihr der Stadt, am Abend im Kino und danach trifft man sie auf der Straße. Dort wartet sie auf einen Bekannten, der nicht kommt. Aber man denkt an sie. Hannah geht ins Cold Eye Blue und macht dort die Bekanntschaft einer ganz besonderen Queen. Sie lernt einen tollen Mann kennen und freut sich auf das nächste Treffen. Es könnte alles so schön sein, aber am nächsten Tag erlebt sie mit Julis die Hölle auf Erden. Julis ist die Mutter des Mannes, dessen Kinder Hannah jahrelang betreute. Die Kinder sind mittlerweile aus dem Haus. Aber man denkt an sie.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Mike denkt an Hannah … Nettes Mädchen … gut gebaut, süße Zunge, fester Po. Ein bisschen unschuldig vielleicht … Na ja, lassen wir ihr Zeit.

 

Ich bin verdorben, denkt sich das Enfant Terrible, das reicht für eine Beziehung … grinst, dreht sich auf die andere Seite und wird noch ein wenig den Tag verschlafen.

 

Die Nacht war lang, die Schnäpse zu gut der Vielen.

 

Er muss sich noch einmal strecken. Der König der Wildnis gähnt mit wohl aufgerissenem Maul, kratzt sich die Brust und den Bauch, schüttelt die Mähne und bläht seine Nüstern.

 

Riecht gut, die Kleine, wie war noch ihr Name? Hannah … und freut sich auf den kommenden Abend. The show must go on!

 

Die Probe beginnt am Nachmittag … früh genug. Er muss seine Stimmbänder schonen, seine Waden und überhaupt – das Morgenlicht blendet – er muss aufstehen und die Vorhänge zuziehen.

 

Er spürt ein leichtes Schwindelgefühl, die Pfauen schlagen ein Rad, aber nur auf dem Vorhang. Und draußen vor dem Fenster – es grünt zu grün, es strahlt zu hell. Was ist denn los?

 

Die Pupillen werden ihm klein.

 

– Ääh … – Zu frisch der Morgen, schon ausgeschlafen, im Gegensatz zu ihm. Die Sonne scheint – das ist nicht seine Zeit.

Er spürt eine gute Laune. Da überfällt ihn doch sofort ein leichtes Misstrauen. Er kniffelt die Augen zusammen, legt seine Stirn in Falten und hält kurz einmal die schön geschwungene Nase in den Wind.

 

Ausschau halten. Kostet ja nichts.

 

Es duftet verräterisch nach beginnender Geschäftigkeit, nach Staubwedel, Haargummis und Allzweckreiniger. Der Ramschladen von gegenüber quillt mit seinen Minipreisen bis auf den Bürgersteig.

Der Obst- und Gemüsehändler kommt vom Großmarkt und lädt seine Kisten aus dem Lieferwagen, der Bistrobetreiber von nebenan rasselt verführerisch mit den Ketten und stellt Tische und Stühle auf. Die ersten Frühaufsteher sind schon da, Amsel, Drossel, Fink und Star.

 

Jetzt nur nicht an Frühstück denken, denkt der verkaterte Sangeskünstler, dem die Knie weich werden. Er macht das Fenster zu und sieht Hannah über die Straße laufen, um die Ecke verschwinden … Da geht sie hin, die Liebste … Gute Nacht, mon Amour, es war ganz bezaubernd.

 

Mike findet den Weg zurück ins Bett ohne weiteren Schaden zu nehmen und schließt seine schönen blauen Augen, etwas verquollen.

 

 

 

 

 

 

 

 

Vielleicht ist er Englänger … – Das Telefon klingelt … – oder Neuseeländer, überlegt Hannah, die gerade aus der Dusche kommt.

 

Sie schaut in den Spiegel, im Vorbeigehen, und kann sich nur wundern. Und kommt noch einmal zurück, nur für einen kurzen Blick, so auf den Fersen stehend, weil sie diesem Blick nicht über den Weg traut.

 

Das ist Hannah … peinlich berührt. Den Kopf ein wenig geneigt, als müsste sie über den Brillenrand sehen, ungläubig, das auch, sie kann es schlecht leugnen.

 

Das muss man sich einmal genauer anschauen.

 

Sie trägt keine Brille und lächelt ihrem Spiegelbild zu, ganz dem Gefühl Recht gebend, das sie in sorgloser Umarmung hält.

 

Lass es doch klingeln, denkt Hannah und ist überrascht. Aber warum denn überrascht?

 

Na, bin ich noch zu retten, ganz bei Trost?

 

Ich bin übermütig, denkt Hannah, indem sie dieser äußeren Erscheinung auch noch zublinzelt.

 

Was für ein Ausdruck!

 

Wie schön! denkt sie, die zauberhafte Nacht ist also nicht wie Seifenschaum im Abfluss verstrudelt. Alles noch da! Ein bisschen unscharf, zugegeben und ein wenig verschwommen. Na gut, weil der Spiegel beschlägt.

 

Warmdampfender Augenblick, aber nicht nur geträumt … die verhuschten Küsse, das verwischte Rouge, die Wimperntusche … und ganz bestimmt zu viel Alkohol, würde ich sagen, denkt Hannah, verflogene Düfte.

 

Hänschen klein hat er gesagt … Was noch? … – Blackout.

 

Das Telefon klingelt. Sie schüttelt den Kopf … Es wird ihr schon wieder einfallen, und dreht sich im Kreis und rennt durch den Flur und vollführt einen Hüpfer, und hüpft von einem Fuß auf den anderen, als sei das völlig normal, nach dem Duschen vor lauter Freude an die Decke zu springen.

 

Wenn ihr das gestern jemand ins Ohr geflüstert hätte … Aber gestern war sie allein, solo, mutterseelenallein auf der großen, weiten, unbarmherzigen, kalten, abweisenden Welt – und heute … will sie diese umarmen … weil es keine schönere gibt.

 

Was ist nur in dich gefahren, denkt Hannah, so ein Unsinn, und kommt aus dem Staunen gar nicht mehr heraus.

 

Die Liebe, wie komisch.

 

Sie überlegt, schaut an ihrem nackten Körper herunter … Lange nicht mehr gesehen, und wickelt das Badetuch ganz zufrieden über der Brust ein.

 

Der Kaffee ist endlich durchgelaufen. Sie würde sich jetzt gern mit einer Tasse Kaffee und einer Zigarette auf die Couch setzen … obwohl sie das Rauchen aufgegeben hat … gestern, das kann man noch nicht ernst nehmen … die Füße hochlegen und Ringe in die Luft blasen. Und dann mit der Gymnastik beginnen! – Aber das Telefon klingelt.

 

Jetzt lass es doch klingeln, denkt Hannah, Mike kann es nicht sein, oder hast du ihm die Nummer gegeben?

 

Nicht, dass ich wüsste. – Kennt er deinen Namen, deinen Geburtstag? Weiß er denn, wie alt du bist, wann du das letzte Mal beim Zahnarzt warst, beim Gynäkologen?

 

Woher soll ich das wissen, ich war betrunken.

 

Kennt er die Farbe deines Autos, die Marke, das Kennzeichen? – Ihr wabernd nebliges Hirn bemüht sich um Aufklärung, aber die Erinnerung an den gestrigen Abend bleibt noch ein wenig abstrakt und ohne Kontur.

 

Wir waren nicht sehr gesprächig, denkt Hannah, aber das können wir nachholen. Heute Abend. Wir werden uns sehen. Heute Abend ist Vorstellung.

Wie heißt du eigentlich, denkt Hannah und wischt mit der Hand über den Spiegel, weil sie sich gar nicht erkennt und ihren Namen vergessen hat.

 

Vielleicht braucht sie doch eine Brille.

 

Ein letzter Blick, dann nimmt sie den Hörer.

 

– Lieder, ja Hallo!

 

Julis ist am Telefon. Damit hat sie jetzt gar nicht gerechnet. Wie nett. Das kann ja heiter werden, denkt Hannah. Warum habe ich nur den Hörer abgenommen.

 

– Julis? – Hannah hört nicht richtig zu, denkt an Mike und an einen neu anzuschaffenden Anrufbeantworter, und rubbelt sich die Haare trocken.

 

– Eine Leiche im Keller, wie lustig … Julis, was redest du? – Guten Morgen! Kannst du bitte noch einmal wiederholen, ich habe Seife im Ohr. Was ist mit der Leiche? Wo?

 

Oh Gott, ich bin noch nicht wach, was rede ich denn? – Blut an den Händen, überall Blut …

 

– Julis, ich verstehe dich nicht. Was hast du gesagt? Um elf kommt die Friseuse, aber zuerst müssen wir die Leiche beiseite schaffen? – Ich soll dir helfen? – Ja gut, aber jetzt beruhige dich! Hast du schon mit Bernd gesprochen?

 

Julis ist verrückt geworden und ich habe Sodbrennen, denkt Hannah und fühlt sich wie in einem schlechten Film.

 

Noch schlechter als der Film gestern Abend. Und das Fischbrötchen liegt ihr schwer im Magen. Im Kopf dreht sich ein Brummkreisel, oder umgekehrt. Das habe ich mir gedacht, denkt Hannah, das konnte nicht gutgehen. Wie kam ich nur auf diese Idee … Fischbrötchen am frühen Morgen … Und gestern Abend … Ich war im Kino … Hannes hat mich versetzt. Warum geht er eigentlich nicht ans Telefon? Dann bin ich versackt, verloren gegangen, wiedergefunden heute Morgen in der Innenstadt, die sich für den Frühling zurechtmacht. Die Hübsche … überall Kabel, Leitungen, Abwässer …

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Buden waren noch geschlossen, das Kinderkarussell unter einer Plane versteckt. Der Zauber beginnt wohl erst um die Mittagszeit, dachte Hannah, sonst hätte sie vielleicht eine Runde gedreht auf dem Rösslispiel, eine Bratwurst gegessen und ein paar Lose gekauft.

 

Und lauter Nieten gezogen, na und … So gut gelaunt am frühen Morgen, als hätte sie einen großen Gewinn gemacht, tam tam, und sprang über herumliegende Kabel, obwohl ihr der Kater gefährlich im Nacken saß.

Sie strahlte wie ein glacierter Apfel, wie Eis am Stiel und fühlte sich von braunen Lebkuchenmännern verfolgt, vom Schinderhannes beobachtet und von wilden Dieben beschützt. Mein Herz, es dampft in allen Gassen, dachte Hannah und streckte den Pappkameraden die Zunge heraus, aber so, dass es keiner sah.

 

Aber es waren sowieso kaum Leute auf dem Platz. Die Geschäfte machten gerade erst auf. Nur die Tauben … Hannah griff unwillkürlich in die Manteltasche und suchte nach Brotkrumen, und fragte sich augenblicklich, wie denn Brotkrumen in den Trenchcoat gekommen sein sollten. So ein Blödsinn! Da war ein zermatschtes Fruchtbonbon vom letzten Herbst, ein zerknülltes Papiertaschentuch (wer war das noch, dachte Hannah, der mich da zum Heulen brachte?) und eine Lippenstifthülse, die jetzt auch keinen Sinn mehr machte. Schade um den Lippenstift! Aber sie musste ja unbedingt eine Nachricht auf dem Badezimmerspiegel hinterlassen. Rosa Worte, dreckverschmiert.

 

Der Mantel muss unbedingt in die Reinigung.

 

Die Tauben gingen beleidigt ihrer Wege. Ein Budenbetreiber scheuchte sie mit einem Wasserstrahl auf und Hannah lief mitten durch den Regenbogen und konnte nicht anders … Sie war auf Wolke … Sein Atem wehte ihr um die Nase, ein Windhauch fuhr ihr durchs Gesicht, streifte ihr wie eine Katze ums Bein. Ein Nebelschweif …

 

Du spinnst, das sind Abgase, dachte Hannah, vom Kühlaggregat oder so … Und weiter … jetzt werde endlich wach, du musst nach Hause unter die Dusche und Zähne putzen.

 

Aber sie dachte an Schaschlik, Reibekuchen und an Teddybären, an Zuckerwatte und gebrannte Mandeln. Und weil es all die Leckereien noch nicht zu kaufen gab, musste es ja unbedingt ein Fischbrötchen aus der Nordsee sein.

 

Hinterm Dom wollte sie sich ein sonniges Plätzchen suchen, ein wenig verschnaufen und selig in den Morgen singen. Weil ihr so heilig zumute war.

So unausgeschlafen und überwach, würde ich sagen, dachte Hannah, und seit wann kannst du denn singen?

 

Und dann den Bismarckhering auf nüchternen Magen, das konnte nicht gutgehen.

 

Aber das Vögelchen hatte sich bereits vom Ast gelöst. Jetzt komm zurück auf den Boden! dachte Hannah, seit wann kannst du denn fliegen? Obwohl ihr kein Pieps über die Lippen kam, denn Fliegen gehört ja nicht zu ihren stärksten Eigenschaften. Sie ist doch eher mit einem knarzenden Ast zu vergleichen, nicht sehr stark, aber durchaus tragfähig. Ein Ast an einem gut gewachsenen Baum.

 

Der Bischof war auch schon unterwegs.

 

– Guten Morgen, Herr Bischof! Ist das nicht ein herrlicher Tag! wollte sie über den Platz rufen, und hat dann doch nichts gesagt. Der Bischof würde sich nur wundern. Und während sie gedankenverloren an einem Zwiebelring kaute, bemerkte sie plötzlich eine schwarze Amsel neben sich auf der Bank.

 

Wo kam die nur auf einmal her, dachte Hannah, während sich eine laut schwatzende und für den Morgen etwas zu stark geschminkte Erscheinung über den andauernden Rummel in der Stadt beschwerte.

 

Hannah hatte sie gar nicht kommen sehen. Bei näherer Betrachtung – Make-up wie für einen Auftritt in Las Vegas.

 

Cher hatte neben ihr Platz genommen. Das wird ja immer bunter, dachte Hannah, die nicht in der Stadt lebt und von den großen und kleinen Veranstaltungen meistens gar nichts mitbekommt. Zufall, dass sie heute in der Stadt ist. Der reine Zufall, dachte Hannah … das wäre zu schade.

 

Cher ist keine Amsel, auch keine Sängerin im schwarzen Federkleid, sondern eine Tralala. Die Tänzerin erzählt aus ihrem Leben: Geschieden, die Kinder würden beim Vater in Amerika leben. Drei Jungs, sie nennt ihre Namen, ihr Alter und dass sie auf Dauer nicht mit ihnen zurechtkam – weder mit dem Mann noch mit den Kindern, die ganz unterschiedliche Interessen gehabt und keine Rücksicht auf ihr künstlerisches Wesen genommen hätten. Dass sie aufs Tanzen nicht verzichten könne, jetzt aber ohne Engagement.

 

Modern Dance, dachte Hannah, aber die Tänzerin erzählt vom Klassischen Ballett, vom Staatstheater und dass sie älter sei, als Hannah denke, aber Hannah denkt sich nichts, sagt auch nichts und kaut weiter an ihrem Zwiebelring, während die Tänzerin von gesunder Ernährung spricht und erklärt, wie sie ihren Körper im täglichen Training halte, damit er nicht aus dem Leim ginge.

 

Aus dem Leim gehen …

 

Hannah denkt an ihre Kniebeugen, die sie seit Wochen nicht mehr gemacht hat, an Liegestützen, Fahrrad fahren, Kreislaufkollaps. Die guten Vorsätze haben sich wieder einmal in Luft aufgelöst. Vom Winter sind nur ein paar Fettpölsterchen übrig geblieben, weil sich der Bauchwegtrainierer hinter den Ofen verkrochen hat oder sonst wo, keine Ahnung. Jedenfalls war er nicht zu finden, eher spurlos verschwunden.

 

Ich kann nichts dafür, dachte Hannah. Und die Rückenstabilisierungsfaktoren – ganz vergessen. Oberschenkelstraffung, Brust, Po – aus den Augen, aus dem Sinn.

 

Der Winter war lang und einsam.

 

Ich darf mich aber nicht so gehen lassen, dachte Hannah und biss noch einmal kräftig ins Brötchen – das muss jetzt ein Ende haben, und nahm sich ein Programm vor, damit alles wieder in die Reihe und in eine straffe Ordnung kommt.

 

Ordnung muss sein. Sie spürte schon den kommenden Muskelkater und kleine Schweißperlen auf der Stirn. Und musste an Mike denken.

 

Man sollte nichts übereilen. Aber Mike hat einen wundervoll durchtrainierten Körper. Da kann sie sich doch etwas vornehmen, einen guten Willen zeigen und so, dann macht vielleicht auch der Körper mit.

 

Wenn man ihm nur einreden könnte, dachte Hannah, dass er es allein tut, der Körper, ohne mich, so wie Haare wachsen, oben und unten und an den Beinen, und überhaupt, auch dazwischen, und wie ist eigentlich die neueste Mode?

 

Ich muss mich generalüberholen, dachte Hannah, und bewunderte das lange, tiefschwarze Haar der Tänzerin.

 

Auch nicht von dieser Welt.

 

– Ich sollte meine Haare wachsen lassen. Ziemlich verkrotzt, mein Gebüschel.

 

– Nein, gar nicht so schlecht.

 

Die Tänzerin hat gut reden. Ich komme gerade aus dem Bett, dachte Hannah, nicht aus meinem Bett, wie schön, und bin noch nicht einmal gewaschen. Gekämmt auch nicht, und sie redet von meiner tollen Frisur. Wir sollten über etwas anderes reden.

 

Die Tänzerin wartete auf ihren Ex. Sie trifft sich mit ihrem Ex, damit er die Rechnung für den Zahnarzt bezahlt. Neues Gebiss, Implantate … Kommt extra aus Amerika und bezahlt ihr das neue Gebiss.

 

Ihr jetziger Freund sei arbeitslos.

 

Nicht schlecht, so ein Ex … Die Tänzerin drückt Hannah eine Visitenkarte in die Hand. Margret …

 

Hannah wollte dann doch endlich nach Hause und verabschiedete sich … Bevor sie in Versuchung käme, eine Zigarette zu rauchen.

 

– Vielleicht sieht man sich …

 

Sie war schon ein paar Schritte in die falsche Richtung gelaufen, als ihr endlich einfiel, wo das Auto geparkt war. Der Mensch, der ihr über den Weg lief und nach ein bisschen Kleingeld fragte, half ihr auf die Sprünge. Es steht im Parkhaus, dachte Hannah, wo habe ich nur meinen Kopf. Das Auto, die gelbe Etage, Nummer 1485. Sie war richtig dankbar und die letzten Cent, die sie ihm gerade in die Hand drücken wollte, musste sie zurückbehalten. Dafür gab sie ihm die letzte Zigarette. Es war nicht seine Marke, aber er zeigte dann doch das nötige Verständnis.

 

– Dann eben das nächste Mal, versprochen! – Sie drehte sich um und wollte der Tänzerin noch einmal grüßen, aber sie war nicht mehr zu sehen.

 

Wie vom Erdboden verschluckt …

 

… nur eine schwarze Amsel, die von der Bank aufflog und eine kurze, aufgeregte Runde über den Platz drehte. Hannah folgte ihr über die mittelalterlichen Häuser hinauf bis zum Dom und musste die Hand vor Augen halten, weil die Sonne stark blendete, und sah die Amsel hoch am Himmel hinter einem der vorstehenden Türme verschwinden.

 

Ich bin übermüdet, dachte Hannah. Ich muss endlich unter die Dusche und mir die Nacht aus den Augen reiben, und stopfte das Papier vom Fischbrötchen in die Manteltasche.

 

 

 

 

 

 

 

 

– Hast du mit Bernd gesprochen? Hannah wiederholt ihre Frage und kann nicht verstehen, was Julis ihr sagen will.

 

Sie weint …

 

Bernd denkt an Julis, auch an Hannah, aber nur für einen kurzen Moment. Er hat keine Zeit, sich Sorgen zu machen. Die Besprechung nimmt seine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch. Die Kostenvoranschläge müssen abgesegnet werden. Das Angebot ist kaum abzulehnen und das Geschäft so gut wie gemacht. Der Abschluss steht unmittelbar bevor, vielleicht nach einer kurzen Pause.

 

Hannah fragt sich besorgt, ob es nicht vernünftiger wäre, einen Arzt kommen zu lassen.

 

– Julis, bist du verletzt? Was ist denn passiert? Soll ich einen Arzt rufen?

 

– Aber wozu ein Arzt? Sie sei doch nicht krank, keift es vom anderen Ende der Leitung. Die Waschmaschine sei defekt.

 

Ach so, denkt Hannah. Aber wieso Waschmaschine? Und seit wann bedient Julis die Waschmaschine? Hat sie nicht gerade von einer Leiche gesprochen? Bin ich betrunken?

 

Bin ich vielleicht verrückt? Oder bin ich verliebt? Aber solche Fragen haben jetzt gar keinen Sinn.

 

– Wo ist denn die Haushälterin? will Hannah wissen. Wo ist Frau Michaelsen? Aber Julis gibt keine Antwort und will sich partout über Kochwäsche unterhalten.

 

Muss ich das ernst nehmen, fragt sich Hannah, die gerade mit ihrer Gymnastik beginnen wollte. Aber Julis will unbedingt Bettwäsche waschen und wissen, wie lange das Programm läuft.

 

Woher soll ich das wissen, denkt Hannah. Kochwäsche … Aber ich habe noch nie daneben gestanden und die Zeit gemessen.

 

– Julis, du musst doch keine Wäsche waschen! Wo ist Frau Michaelsen? – Erschlagen? … mit dem Hammer erschlagen? … In der Waschküche … Ach so, ja, ja …

 

Ich bin sicher, denkt Hannah, dass sie keine Ahnung hat, wie so ein Ding funktioniert. Julis hat noch nie in der Waschküche gestanden. Wie habe ich mir das vorzustellen? Das Ding macht ko-mische Geräusche? Julis fragt nach diesem und nach jenem Knöpfchen, nach Waschpulver, Feinspüler, Drehzahl. Wozu man ein Sparprogramm benötige, und die Wäscheklammern würde sie auch nicht finden.

Ob ich hinfahre und nachsehe, was sie mit der Wäsche treibt, denkt Hannah und fragt noch einmal nach der Haushälterin. Aber Julis spricht von Einbrechern, von Wäscheklammern und Sicherheitsschlössern. Hannah soll kommen und zwar sofort.

 

Na bitte, denkt Hannah, ganz die Alte. Julis weiß, was sie will, und gleich macht sie ein Drama daraus, wie gehabt. Trotzdem überlegt sie, ob es nicht besser wäre, die Polizei um eine kleine Unterstützung zu bitten. Ihr verflogener Kopfschmerz meldet sich zurück.

 

Zärtliche Hungergefühle. Was soll ich nur machen, denkt Hannah und starrt auf ihre Füße. Sie steht im Nassen, eine kleine Lache hat sich gebildet. Ich bin noch nicht trocken, denkt sie, es tropft.

 

– Nein, keine Polizei! schreit Julis ins Telefon, obwohl Hannah gar nichts gesagt hatte. – Was die Leute denken würden, sie sei doch nicht verrückt.

 

Kann sie Gedanken lesen?

 

Ob Hannah wüsste, wo Bernd sei. Er hätte sich seit Wochen nicht gemeldet und die Sekretärin würde sie nicht durchstellen, diese Schlampe. Um elf käme die Friseuse, aber in diesem Zustand, unmöglich. Hannah solle ihr helfen – der schreckliche Kerl müsse endlich aus dem Haus, sie könne ja niemandem die Tür öffnen. Der Haushälterin hätte sie gekündigt.

 

Hannah verspricht zu kommen.

 

– In einer halben Stunde, sagt Hannah, ich muss mich noch umziehen, dann fahre ich los.

 

Und was ist mit den gymnastischen Übungen?

 

– Julis, ich lege jetzt auf! – Und werde mit Bernd telefonieren, denkt Hannah, soviel Zeit muss sein. Sie wählt die Nummer, die er für Notfälle dagelassen hat.